frei:heraus – 10 Fragen an Michaela Schara

10 Jahre Freiraumfrau

Von der Geburt meiner Marke bis heute traf ich wunderbare Menschen, die mir halfen an entscheidenden Kreuzungen den richtigen Weg einzuschlagen. Menschen, die mir ihr offenes Ohr schenkten und den Spiegel vorhielten. Die mir mit Rat & Tat zur Seite standen oder durch ihr Wirken mein Vorbild sind. Zum Jubiläum beschenken mich Wegbegleiter:innen mit inspirierenden Antworten auf meine zehn Fragen.

Meine heutige Interviewpartnerin ist Michaela Schara:

Michaela und ich lernten uns in den Tiefen des Internets kennen, ob nun über Twitter oder Facebook, das weiß ich nicht mehr. Was ich sicher weiß, ist, dass sie das Zeichnen so liebt wie ich und sie deshalb eine gern gesehene Teilnehmerin bei meinen #30SkizzenimNovember war.

Sie hat die wunderbare Gabe auch sehr doofe Dinge in ihren Zeichnungen zu verarbeiten. Michaela lebt mit Morbus Crohn, eine c(h)ronische Erkrankung, die nach außen hin nicht zu sehen ist. Ihre Erfahrungen hat sie 2020 in ein Buch gegossen, das im Humbold-Verlag erschienen ist: “Shitstorm in Darm! Gut leben trotz Morbus Crohn.”
“Außen blau, innen au!”, so titelte ich dazu in meiner Buch-Rezension.

Im Frühjahr 2017 war Michaela eine meiner Probeleserinnen auf dem Weg zur fertigen Comicbiografie. Sie hat mich mit ihren Kommentaren sehr ermutigt, an meinem Herzensprojekt dranzubleiben.

Was ich an Michaela so schätze, ist ihr humorvoller und witziger Schreibstil. Und ich mag ihre Auseinandersetzung mit spirituellen Themen und dem Jahreskreislauf auf ihrem Blog KultKraftPlatz. Einer ihrer Artikel brachte mich 2018 dazu, zur Ritualtagung nach Innsbruck zu fahren. Dort lernten wir uns dann auch endlich persönlich, live und in Farbe kennen. Und sind uns seitdem noch enger verbunden.

Wir schicken uns regelmäßig wechselseitig richtige Post. Mia und einem ihrer Weihnachtsbriefe verdanke ich den Zugang zum Räuchern, denn sie schickte mir selbst gesammeltes Räucherwerk.

Liebe Mia:

1. Meine Lieblingsfrage steht gleich am Anfang. Freiraum ist ein großes Wort, unter dem jeder sich etwas anderes vorstellt. Was bedeutet Freiraum für dich?

Aktuell: Am Morgen wach werden und KEINE Schmerzen haben. Vor allem keine Migräne, die nur darauf wartet, dass ich die Augen aufmache, oder mich aufgeweckt hat oder gerade im Anflug ist. Ansonsten keine Bauchschmerzen im Untergrund und zusätzlich gut ausgeschlafen am Leben zu sein, während meine ungeliebte Sidekicks (aka Erkrankungen) die Klappe halten und schlafen. Damit habe ich die Chance, den Tag für all das zu nutzen, was an den anderen Tagen liegen bleiben muss.

Das sind meist all die Dinge, die mir am Freude machen, wo ich mich kreativ austoben kann, Energie und Glück tanke und das Gefühl habe, etwas bewegen zu können. Also mein geistiger und physischer Freiraum, wo ich das mache, was mir Spaß macht, in meiner Zeit und meinem Tempo, ohne Behinderung.

2. Das C-Wort ist in aller Munde. Welchen Freiraum vermisst du ganz besonders?

Mich spontan mit Freunden zu treffen, auf einen Tee, ein Essen, einen gemeinsamen Spaziergang, ein Pläuschchen … ohne Maske, ohne Abstand halten, mit Umarmungen und gemeinsam Lachen. Aber auch das Einkehren auf Tee und Kuchen nach einer gemütlichen Wanderung allein.

Generell ist es die freie, ungebundene Spontanität, die mir fehlt. Einfach mal eben wohin fahren, was einzukaufen, Essen gehen oder etwas anzusehen und nicht vorweg zu überlegen, ob der Laden offen hat, wie man es alternativ online besorgen, abholen oder ansehen kann. Auch wenn ich das nicht so oft mache, ist es eine Möglichkeit, die da war und nun, durch Covid, schmerzlich fehlt.

3. Wenn es um dich herum mal wieder hoch hergeht, was tust du dir Gutes um wieder in deine Mitte zu kommen?

Erstmal muss ich raus aus dem Chaos, Abstand gewinnen und meine Füße auf den Boden bekommen. Dann kann ich mit Glück überlegen, was ich jetzt brauche:

  • Gepflegtes Versacken auf der Couch, mit Netflix, Salzbrezeln und Hund in Reichweite?
  • Oder „will-muss“ ich mir etwas Nähen, um mir selbst ein Geschenk zu machen und mich daran zu erinnern, wie schön es ist, etwas mit meinen Händen zu erschaffen, das ich berühren kann und wo sich Kreativität mit Handwerk trifft? Nähen beruhigt mich und wenn ich das fertige Stück in Händen halte, dann habe ich mir auch wieder versichert, dass ich es noch „kann“.
  • Oder muss ich etwas loswerden, das mich interessiert, belastet, aufregt, bewegt oder mir den Atem und die Gedankenfreiheit nimmt? Dann schreibe ich es mir von der Seele oder zeichne Cartoons. Ist es solchermaßen „abgelegt“, geht es mir wieder besser. Als würde ich all das, was mich unrund macht, mental downloaden.

4. Im Moment verbringen wir viel Zeit zu Hause. Die Innenarchitektin in mir möchte gerne wissen, wo du dir gerade mehr Freiraum in deinen Räumen wünschst?

Meine Küche macht mich gerade unrund. Zwar „sollte“ es das Bad sein, dass seit Jahren auf der Renovierungswunschliste steht und sehr wichtig wäre. Aber momentan ist es die Küche, die mir zu voll geräumt, zu chaotisch, zu keine-Ahnung-was ist. Da braucht es mal ein intensives Ausmistfest und dann ein paar Erneuerungen.

Die Küche ist noch nicht so alt, sie wurde 2007 grundlegend renoviert. Aber sie ist ein kleiner Raum und mittlerweile haben sich aus den damals eingebauten Kinderkrankheiten nervende Mißlichkeiten ergeben. Es ist nicht schlimm, für andere nicht wirklich erkennbar und möglicherweise sind gründliches Ausmisten und ein Topf mit Farbe schon ausreichend. Aktuell fehlen mir Animo, Kraft und Geld für dieses Projekt. Dennoch nervt es mich.

5. und 6.
Welche deiner Lebens- bzw. Arbeitsräume liebst du gerade ganz besonders und warum? Okay, das sind gleich 2 Fragen.

Wir haben letzten Sommer das Wohnzimmer neu gemacht. Das stand seit gut 10 Jahren auf der „Liste“. Es war eine richtig heftige Baustelle, mitten im Haus, mit Dreck überall und allem, was zu so einer kleinen Großbaustelle dazu gehört, inklusive der klassischen Pannen. Aber dann war es fertig und ich LIEBE diesen Raum nun so sehr! Vor allem der schöne Holzfußboden ist ein Traum, dazu die hellen Wände und das Licht, dass nun ungehindert rein kann. Der neue, leere Raum war so angenehm und weit, dass mein Mann und ich spontan beschlossen haben, ihn so leer wie möglich zu belassen und viel weniger Möbel hinein zu stellen, um diese Freiheit – diesen buchstäblichen Freiraum – so gut als möglich zu erhalten.

Wir haben z.B. keinen Couchtisch mehr. Der Platz vor der Couch bleibt frei, ein roter, alter Teppich liegt dort, den wir von meiner Schwiegermutter geerbt haben.
Man hat einen ungehinderten Blick in den Garten, es ist genug Platz für Yoga, um das Hundemädel zu kraulen, gemütlich am Boden zu liegen oder einfach den Platz als solches genießen. Statt dem Couchtisch habe ich ein altes Tischset gefunden, aus drei Beistelltischen, die man ineinander verstauen kann. Wenn man Tee & Co. wo abstellen will, wandern die dahin, wo sie gerade gebraucht werden. Danach verschwinden sie in einer Ecke und der Raum ist wieder groß und frei.

7. Ich glaube daran, dass die Welt ein besserer Ort wird, wenn wir mehr von dem tun, was uns wirklich am Herzen liegt. Was ist dein Herzensthema?

Das Herz hat ja, wie man von medizinischer Seite weiß, zwei Herzhälften. Eine ist für den Lungenkreislauf zuständig, die andere für den Körperkreislauf – deswegen habe ich vermutlich zwei gleichwertige Herzensthemen ;-)

Zum einen möchte ich Menschen über die chronische Autoimmunerkrankung Morbus Crohn informieren und das schaffen, was man neudeutsch „Awareness“ nennt: Aufmerksamkeit für eine nicht sichtbare, nicht heilbare und auf vielen Ebenen sehr belastende Erkrankung. Mein Blog LieberHerrCrohn.at und mein erstes Buch „Shitstorm im Darm“ handeln davon und sind sowohl für Betroffene und Angehörige, als auch für Laien, die noch nie davon gehört haben, eine Anlaufstelle um sich zu informieren.

Mein zweites Herzensthema sind Kult & Kraftplätze und damit verbunden der Jahreskreis, mit seinen Ritualen und Brauchtümern. In meinem ersten und ältesten Blog KultKraftPlatz.com geht es um dieses Thema und auch wenn ich in letzter Zeit hier nicht so viel zum Schreiben gekommen bin, ist es ein Bereich in meinem Leben, den ich nicht mehr missen mag. Letztes Jahr wurde mein Blogprojekt in einen gemeinnützigen Verein umgewandelt. Es war irgendwie logisch, dass zu tun, hat aber dennoch einiges an innerer Überzeugungsarbeit gebraucht bei mir. Nun spürt es sich an, als wäre mein KKP-Baby erwachsen geworden, ist noch sichtbarer und zugleich freier. Und ja, darauf bin ich auch ein bisschen sehr stolz.

8. Was motiviert dich an deinem Herzensthema dranzubleiben, wenn dich mal ein Durchhänger plagt?

Meine Durchhänger haben ja unterschiedliche Ursachen, alle meist krankheitsbedingt. Zugleich bin ich grundsätzlich ein sehr perfektionistischer, durchorganisierter Mensch, mache mir selbst viel Druck damit und will einmal gefasste Pläne effizient und flott umsetzen. Damit sind mentale Crashes vorprogrammiert: Mein Körperchen kommt mit meinen Anforderungen nicht zurecht, es kommt automatisch zu systemnotwendigen Durchhängern.

Der Druck, den ich mir selbst auferlege, ist auch der Kreativität nicht zuträglich. Meine besten und mir liebsten Beiträge, Zeichnungen und Ideen sind in spielerischer Weise entstanden, ohne Redaktionsplan, einfach aus dem Bauch heraus. Wenn Körper und Seele mal wieder nach einer Pause schreien, nicht sofort gehört werden und zu brüllen beginnen, passiert es schnell, dass meine Tippereien und Zeichnungen nur noch verkrampft sind, weil mehr „Muss“ und wenig „Spiel“ darin steckt. Dann ist es Zeit Abstand zu nehmen.

Das ist vielleicht kein Durchhänger im eigentlichen Sinne, wie eine Schreibblockade oder ähnliches. Es ist mehr eine innerlich herbeigeführte Entspannungsphase, um der Hängebrücke, die mich mit meinen Herzensthemen verbindet, schädliche Spannung zu nehmen, damit sie nicht reißt. Man kann auch sagen, dass ich meinen Durchhängern Freiraum gebe, damit sie sich ungehindert entfalten können, ohne anzuecken. Erfahrungsgemäß kommt nach einem solchen Tief dann von selbst wieder ein Aufschwung und dafür braucht es „nur“ Geduld.

Ich bin allerdings in der glücklichen Lage nicht von meinem Tun leben zu müssen, da ich krankheitsbedingt seit 2016 in Pension bin. Damit ist es natürlich auch leichter, diese Sache entspannt zu sehen.
Was nicht heißt, dass ich es so sehe ;-)

9. „Marke ist das, was die Menschen über dich sagen, wenn du den Raum verlässt!“, sagt Jeff Bezos, der Gründer von Amazon. Jetzt bin ich gespannt! Was sagst du über mich, wenn ich den Raum verlasse?

Wir haben uns ja leider erst einmal im real Life getroffen, bei der Ritualtagung in Innsbruck. Aber es ist für mich auch online spürbar: Wenn du den Raum verlässt, geht ein Licht aus und die Töne verändern sich, es erklingt mehr Moll und weniger Dur. Zugleich bleibt viel Ruhe und Wurzelkraft, die ich mit dir in Verbindung bringe. Du hinterlässt einen spürbaren, kraftvollen Eindruck und machst Mut.

Ich mag deine konstruktive, klare Herangehensweise, die du mit sehr viel Sensibilität und Humor kombinierst. Ein Gespräch mit dir, egal ob online oder real, hat immer Tiefgang, auch wenn es um banale Themen geht. Und dieser Tiefgang ist auch dann noch da, wenn du dich verabschiedet hast.

Natürlich ist da auch Bedauern, nach so einem Abschied, und das ist gut. Denn Sehnsucht nach Fortsetzung ist ja eine Variante von Vorfreude und das ist etwas Schönes.

10. Ich stehe an der Schwelle zu den nächsten 10 Freiraumfrau-Jahren. Was gibst du mir mit auf den Weg? Wünsche, Verbesserungsvorschläge, Inspiration? Ich bin gespannt.

Ich habe so das Gefühl, dass du an der Schwelle zu einer größeren Veränderung stehst, sowohl persönlich, als auch was deine Angebote betrifft. Dein Freiraumfrau-Salon ist eine ganz wunderbare Sache, speziell in diesen doofen Lockdown-Pandemie-Zeiten, und für mein ein Hinweis, dass du in eine für dich wichtige Richtung aufgebrochen bist.

Ich denke, dass du aus diesem Topf an neuen Möglichkeiten, der sich nun öffnet, einiges herausholen kannst und dafür wünsche ich dir ausreichend Zeit, Muße und Freude, um das, was da mit dir wachsen will, genussvoll zu kreieren, formen und festigen zu können.

Egal was es wird: ich freue mich darauf!

Danke, liebe Mia für deine inspirierenden Antworten!

Fotocredit: Tina King, die Fotogräfin