Parken Sie Ihren Sarg hier weg!

Ich traue meinen Ohren nicht. Voll von hinten erwischt mich dieser Satz, als ich etwas aus meinem Freiraumbus holen will. Bäääm, mein Freiraumbus ein Sarg? Das trifft mich voll ins Herz.

Ich drehe mich um. „HÄ? Was haben sie gesagt?“

Eine ältliche Frau blickt aus ihrem Fenster und schmettert mir völlig ungerührt den Satz gleich noch mal vor die Füße:

„Parken Sie Ihr Auto hier weg! Wir schauen immer auf diesen Sarg.“

Wie vom Donner gerührt schaue ich sie an. Das meint sie jetzt nicht ernst, oder? Sie bringt es fertig und bezeichnet meinen geliebten Freiraumbus als Sarg. Dabei will sie mich doch anscheinend bitten, mein Auto umzuparken. Vielleicht hat sie es ja nicht so gemeint, das mit dem Sarg. Ich frage nach.

Doch, doch, das Ding sähe aus wie ein Sarg. Und überhaupt würde das ja jetzt schon über drei Wochen vor ihrer Haustür parken. Ob ich nicht mal wegfahren wolle. Das sei störend immer auf so einen Sarg zu blicken.

Taube Ohren

„Ich wohne in der Nachbarschaft und deshalb parke ich hier.“ Meine Erklärung trifft auf taube Ohren.
„Mag ja sein, aber doch nicht vor meinem Küchenfenster,“ antwortet sie unerbittlich. Das Sargwort fällt erneut. Meine Bitte um andere Wortwahl bleibt ungehört. Äußerlich bin ich ruhig, innerlich tobt es.

Ich erkläre ihr, dass ihre Aufforderung Lichtjahre von einer höflichen Bitte entfernt sei und mich ihre Formulierung treffen würde. Meinen geliebten Freiraumbus als Sarg zu bezeichnen, das geht null, Komma gar nicht.

Sie bleibt bei ihrer Formulierung.

Ich sperre mein Auto ab, drehe mich um und gehe. Der Freiraumbus parkt weiter vor ihrer Haustür.

Mein Hirn grübelt

Ganz ehrlich, ich habe keine Ahnung, was so schwer daran ist, etwas netter zu formulieren, wenn ich etwas erreichen will.

Es macht keinen Sinn mir über diese Frau weiter Gedanken zu machen. Vielleicht hat sie Angst vor dem Tod und mein Sarg erinnert sie daran? Oder sie ist einfach nur stur. Das mit der Höflichkeit und Selbstreflexion ist ihr unbekannt? Wahrscheinlich trifft alles zu.

Wieso gehe ich mit dem Gespräch so in Resonanz?

Mir wird klar, da ist noch mehr. Zuallererst, ich bin wütend.

  • Über die Sturheit.
  • Über die Art und Weise des Gesprächs.
  • Über die Unfähigkeit dieser Dame ihre Wortwahl zu ändern.

Dass mein geliebtes Auto so böse angemacht wird, das hat mich verletzt. Okay, das ist einfach. Das wusste ich in dem Gesprächsmoment schon.

Ich bin immer noch genervt und will den schönen Tag lieber mit schönen Dingen verbringen. Wieso triggert mich dieses Gespräch so? Doch wie heißt es so schön, Gefühle wollen gefühlt werden. Dann also fühlen…

Was kann ich für mich tun?

Ich lasse zu, dass ich sauer bin. Als der erste Ärger verraucht ist, tauche ich tiefer. Ich entdecke eine Geschichte, die ich in umgekehrter Version oft erlebt habe. Ich erinnere Menschen, die sich aufregen über die, die vor ihrer Haustür parken.

Alles klar. Ich habe die UR-Sache meines Unbehagens gefunden. Wie als hätte ich durch dieses Erkennen einen inneren Schalter umgelegt: Sofort ist es ruhig in mir. Ich kann mich endlich wieder meiner Arbeit widmen.

Die UR-Sache erkennen hilft

Mein innerer Freiraum ist mir heilig. Hätte ich diese Extraschleife des Nachdenkens ausgelassen, würde mich die Geschichte den ganzen Tag verfolgen. So stellte ich mich meinen Gefühlen und ergründete meinen Part der Geschichte.

„Beim nächsten freien Platz parke ich meinen Leichenwagen um!“ wäre eine super Antwort gewesen. Doch leider fiel mir dieser coole Spruch in dem Moment nicht ein, weil ich getriggert war.

Das ist für mich Freiraum kreieren

Tief tauchen und der Ursache auf den Grund gehen, das ist das Kernstück meiner Arbeit beim Freiraum kreieren. Wenn du gerade Themen hast, die lohnen ergründet zu werden, dann lade ich dich ein, zu schauen, wie wir in der DOPPEL:STUNDE Freiraum kreieren arbeiten und was meine spätere Essenz-Zeichnung für dich tun kann.


Umparken für mein Wohlbefinden

Ich habe übrigens am Ende des Tages meinen Freiraumbus den bösen Blicken entzogen und ihm einen anderen Parkplatz gegönnt. Das wäre mir am Morgen nicht im Traum eingefallen. Am Abend fühlt sich der Schutz meines Wohlbefindens besser an als auf meinem Recht „da parken zu dürfen“ zu beharren. Auch das ist Freiraum kreieren für mich.

14 Kommentare

  1. Weil ich dich kenne, weiß ich, wie weh dir das getan haben muss. Ich kenne die Perspektive der von dem ganzen Blech genervten Frau auch ganz gut (bin aber viel zu höflich, um Autobesitzer zu beschimpfen). Ich kenne es nur auch, dass Autobesitzer bei selbst liebevoll vorgebrachten Bitten nahezu ausflippen. Vielleicht kommt da der Hammer-Moment.

    • Liebe Ute, das ist das eine. Mein geliebtes Auto als Saeg zu bezeichnen. Das hat mich verletzt. Da ich die andere Sichtweise ja auch kenne, kann ich tatsächlich die Frau verstehen. Was mir schwer fällt ist, dass sie ihre Wortwahl nicht modifizieren wollte. Das ist dann schon eher Sturheit. Hier fehlte die Höflichkeit der Bitte. Nun ja, auf jeden Fall ist dadurch eine schöne Geschichte aus dem Freiraumbus entstanden.

    • Das kann gut sein, liebe Ania, dass die Frau schon einen langen inneren Monolog hinter sich hatte. Und ich würde ihr ja auch den „Sarg“ durchgehen lassen, wenn sie nach meiner „oh, das trifft mich nun“-Aussage sich für eine andere Wortwahl entschieden hätte. Empathie fehlt mir hier völlig.

      Ich kann im übrigen tatsächlich verstehen, dass sie mein Auto vor dem Küchenfenster gestört hat.

  2. Worte wirken! Krass was hier geschieht: Bei der Anwohnerin, die vielleicht WoMo‘s nicht mag. Und bei Dir. Weil dein geliebter Freiraumbus als „endgültige Kiste“ bezeichnet wurde. Ihr beide wurdet ordentlich getriggert.
    Ich kenne das zu gut: In dem Moment bin ich so geschockt, dass mir die Worte fehlen. Und die schlagfertige, richtig gute Antwort fällt mir erst Stunden später ein. Leider. Weil so viel Zeit vergangen ist. Und ich mich viel zu lange mit dieser Aussage beschäftigt habe.
    Hat dein WoMo eigentlich eine Aufschrift?

    • Liebe Christine, oh ja, Worte wirken. Im guten wie im doofen. Wie wäre es gewesen, die Frau hätte eine liebevolle Bitte geäußert. Oder wenn ich an diesem Morgen tiefenentspannt gewesen wäre. Ich war tatsächlich sehr irritiert über die Sturheit dieser Frau.
      Du fragtest nach einer Aufschrift auf meinem Wohnmobil. Nein, da steht nichts drauf. Wenn ich unterwegs bin, dann mag ich den Inkoknito-Modus.

  3. Liebe Freiraumfrau, muss über beide Reaktionen schmunzeln, weil ich so was selbst ganz gut kenne :-), ;-).
    Mir kommt da eine Idee.
    Wie würde das Wohnmobil mit einigen schmeichelhaften Smileys aussehen?
    Muss wieder schmunzeln. Sorry.
    Gute Lösung gefunden für dieses Problem. Danke herzlich fürs Teilen. LG

    • Liebe Renate, das macht es ja so spannend im Leben. Es gibt so viele verschiedene Reaktionen auf eine Situation, wie es Menschen gibt. Das spiegeln die Kommentare ja gut wieder. Das mit den Smileys ist eine nette Idee. Ich habe immer gesagt, wenn es dann mal Roststellen am Freiraumbus gibt, dann fangenden an, ihn zu bemalen. Bis jetzt ist seine Karosserie noch fein. Von daher erstmal keine Bemalung oder Smileys.

  4. Lydia Ulke-Foag

    Umparken war doch tatsächlich die beste Lösung, liebe Angelika. Man möchte doch selbst sein Auto nicht ständiger schlechter Energie aussetzen. Und nur durch Umparken einen anderen Menschen glücklich machen hat doch auch was. So hoffen wir, dass diese Dame des Glücklichseins überhaupt mächtig ist. Du bist es jedenfalls, alles Liebe Lydia

    • Liebe Lydia, danke für deine Zustimmung zum Umparken. Ich bin sehr glücklich über meine Entscheidung und vor allem über die Erkenntnisse, die ich gewonnen habe. Liebe Grüße zurück.

  5. Das ist eine tolle Geschichte, liebe Angelika! Ich fühle deine Empörung und bedaure mit dir, dass du erst nach Stunden schlagfertig warst.

    Schön, dass es dir und deinem Freiraumbus ohne böse Blicke besser geht.

    Liebe Grüße, Silke

    • Liebe Silke, das ist eine von den Geschichten, die ich auch noch in vielen Jahren erzählen werde. Und ja, ohne böse Blick geht es dem Freiraumbus besser. Und mir erst. Ich bin froh, dass ich mein Gefühl an der Geschichte ergründet habe. Denn zwischendurch dachte ich auch so, wie der Kommentator vor dir.
      Liebe Grüße zurück.

  6. Bolzkopf

    Na, seh’n se – da hat die Krakelerin ihr Ziel ja erreicht und kann beim nächsten Seniorenkaffeekränzchen damit auftrumpfen.

    • Klar, so habe ich zwischendurch auch gedacht. Ich verstehe den Einwand. Doch dann erkannte ich, was mir wichtiger ist. Und entschied danach. Vielleicht hat die alte Frau sich auch den ganzen Tag innerlich aufgeregt. Wer weiß?
      Ich jedenfalls bin fein mit meiner Entscheidung.

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