Blognacht #62: Nicht schon wieder!

Schon lange war ich nicht mehr in der Blognacht von Anna Koschinski. Überhaupt ist das Bloggen in diesem Jahr deutlich zu kurz gekommen. Warum? Erkläre ich gleich, denn der heutige Impuls passt prima zu meinem Erleben.

Nicht schon wieder!

Kennst du? Diesen tiefen Seufzer aus der Seele? Gerade dann, wenn sich die Wogen wieder beruhigt haben. Oder wenn du denkst, jetzt bist du mit einem Thema endlich fein. Und dann. Bämm. Kommt wieder so eine Geschichte ums Eck.

Trauer.

Bei mir ist es die Trauer gerade. Nicht das kleine Weinen, über das ich auch schon gebloggt habe. Nein, ganz unverhofft und unerwartet bog sie in diesem Jahr immer wieder ums Eck. Genau dann, wenn ich dachte, ich sei aus dem Gröbsten raus.

Trennung.

Genug um den heißen Brei herum geschrieben. Wieso Trauer, fragst du vielleicht? Ist bei Angelika jemand gestorben? Sagen wir mal so, sinnbildlich ist ein langes gemeinsames Leben gestorben. Nach 38 Jahren gemeinsamer Zeit haben mein Mann und ich uns im Januar zur Trennung entschieden. So richtig verstanden, weshalb das nach so vielen Jahren die richtige Entscheidung ist, habe ich erst, als ich im vergangenen Jahr mein aktuelles Buch „Geschichten aus dem Freiraumbus“ geschrieben habe. In nur 6 Wochen durchpflügte ich zehn Jahre meines Lebens und erkannte die Muster, die sich in unsere Ehe vergraut hatten. Manchmal ist Schreiben eben auch Therapie.

Auseinanderdröseln.

Im Frühjahr habe ich mein Leben von seinem getrennt. Gefühlt alles in die Hand genommen und mich gefragt, was ich mitnehmen will. Ich bin diejenige, die in eine neue Stadt gezogen ist. So gut wie ohne Möbel. Neuanfang im Lebensherbst. Das kam auch noch dazu, dass ich Ende Mai 60 geworden bin. Das hat was mit mir gemacht und zur Klarheit beigetragen.

Ende Juni war dann der finale Schlussstrich. Ich hatte immer nur bis zu diesem Moment gedacht und gefühlt. Und vermutet, dass ich mich dann im Juli gut und frei und so fühlen würde.

Unterschätzt.

Ich hatte unterschätzt, was all die mentale und vor allem die körperliche Arbeit mit mir macht. Ich sag nur dritter Stock ohne Aufzug. Gefühlt hatte ich immer einen Umzugskarton in der Hand, wenn die 50 Stufen zu meiner Wohnung hinaufgestiegen bin. Hinzu kamen die drölfzigtausend Formalitäten, die zu erledigen waren. Ich war ziemlich kaputt. Von gutem Gefühl keine Spur. Stattdessen kam die Trauer ums Eck. Als klar war, dass wir nun auseinander sind, da kamen die Zweifel und die Fragen und ob ich gescheitert bin. Und mit all dem auch die Trauer. Sie setzte sich zu mir an den Tisch. Anfangs habe ich sie ignoriert. Dann weggedrückt. Kann ja nicht sein, dass ich jetzt traurig bin. Doch sie blieb hartnäckig sitzen. Okay, hinzu kam noch, dass es ziemlich umgehend eine neue Frau im Leben meines Noch-Mannes gab. Obwohl ich damit gerechnet hatte, es hat mich doch verletzt, so schnell ersetzt zu werden.

Nicht schon wieder…

…dachte ich so oft, wenn die Trauer sich wieder breit machte. Irgendwann habe ich dann verstanden, dass ich sie an meine Seite bitten darf. Ich darf traurig sein und gleichzeitig die Entscheidung der Trennung richtig finden.

Die Trauer im Boot

Leichter wurde es erst seitdem ich verstanden hatte, dass ich mit der Trauer unterwegs sein darf. Ich habe sie in mein Lebensboot gebeten. Sie darf mitfahren und manchmal das Ruder übernehmen. Dann bestimmt sie für eine kurze Zeit den Kurs. Und dann ist es aber auch wieder gut.

Was mir zusätzlich half und immer noch hilft:

  • Mit jedem Gespräch, das ich führe, wird sie kleiner, die Trauer.
  • Ich gönne mir Rituale, in denen ich sie verabschiede.
  • Ich lasse mich unterstützen, habe mir zwei Coachings gegönnt.
  • Und ich schreibe viel. Jeden Morgen sortiere ich schreibend meine Gedanken.
  • Ich bewege meine Gedanken. Gehe an meinem neuen Ort spazieren.
  • Zwischendurch war ich immer wieder am Lieblingsstrand.
  • Ab und an habe ich gebloggt und meine Themen verarbeitet:
    Wilde Wortfetzen.
    Über die Schwelle gehen.

Du schon wieder: Komm herein!

Mein Empfinden hat sich so, Schritt für Schritt gewandelt. Du schon wieder, kann ich heute mutig sagen. Dann gehen wir ein Stück gemeinsam, die Trauer und ich. Und dann geht es wieder. Ich feiere mein neues Leben, habe gerade eine wunderbare Einweihungsfeier mit ganz vielen lieben Menschen veranstaltet.

Gefühle wollen gefühlt werden!

Wer die Lebensfreude spüren möchte, darf auch alle anderen Gefühle wie Trauer, Wut oder Ärger zulassen.


Hier schreibt, bloggt und kreiert die Freiraumfrau. Ich liebe es, den Themen des Lebens nachzuspüren. Der Freiraum im Kleinen und im Großen ist mein Lebensthema.

Und wenn es bei deinem Freiraum gerade hakt, dann melde dich gerne.

6 Comments

  1. Nicht schon wieder!
    Liebe Angelika, wie gut kann ich Dein Gefühl der Trauer spüren. Auch bei mir klopft es immer wieder, auch fünf Jahre nach dem Tod unseres Sohnes an, setzt es sich neben mich und möchte Aufmerksamkeit.
    Dann höre und spüre ich in mich hinein und dann weiß ich immer, warum die Trauer ein Stelldichein mit mir wollte.
    Fühl Dich von mir gesehen und gehalten.
    Alles Gute
    Margaretha

    • Danke, liebe Margaretha,
      für dein Teilen deiner Trauer und fürs Halten und mich sehen.
      Das fühlt sich verbunden an.
      Schön, dass es dich in meinem Leben gibt.
      Von Herzen.
      Angelika

  2. Danke, dass du deine Gedanken mit uns teilst. Ich trauere auch gerade, wenn auch aus anderen Gründen. Leider wollen einem viele einreden, dass man das doch bitte für sich behalten soll. Das denke ich nicht.

    Mir hat heute auch das Gemeinschaftsgefühl bei der Blognacht geholfen, mich für ein paar Stunden abzulenken. Ich hoffe, dir ging es auch so.

    Fühl dich aus der Ferne gedrückt!

    • Liebe Annette,

      mir hat die Gemeinschaft heute auch sehr gut getan.

      Ich finde es extrem bedenklich, dass wir in unserer Gesellschaft die Trauer so wegdrücken. Denn sie holt sich ihren Raum, meist dann auf anderen Wegen, z.B. durch Gesundheitsthemen. Ich bin bei dir, wir sollten darüber reden. Was ich auch auf meinem Blog tue. Zum Beispiel habe ich über die aberkannte Trauer geschrieben: https://www.freiraumfrau.de/2024/09/gedanken-zu-aberkannter-trauer/

      Ich drücke dich ebenfalls aus der Ferne und wünsche dir, dass deine Trauer Raum zum Heilen bekommen kann.

      Angelika

  3. Liebe Angelika,

    ja genau, es geht beides – „Ich darf traurig sein und gleichzeitig die Entscheidung der Trennung richtig finden.“

    Es kann alles richtig sein und dennoch ist da etwas, das nicht mehr da ist. Ich bin ja gar nicht gut darin, der Trauer Raum zu geben, daher umso inspirierender, dass du es machst – auch hier. Danke für deine klugen Gedanken. Ich fühle eine Runde mit.

    Alles Liebe
    Anna

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